Femininität versus Maskulinität im Management


Unternehmen mit einem vergleichsweise höheren Frauenanteil im Top-Management weisen signifikant bessere Unternehmenskennzahlen auf: ein im Durchschnitt um 10 % höherer Return of Investment, einen um 48 % höheren EBIT und einen Aktienkurszuwachs um Faktor 1,7 in den Jahren 2005-2007 im Vergleich zu Unternehmen, deren Vorstände rein männlich besetzt sind. Dies belegt die McKinsey Studie »Women Matter« aus dem Jahr 2007 anhand einer Analyse von knapp 100 europäischen Unternehmen mit einem Aktienwert von je mehr als 150 Mio. Euro.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Merkmalen »weiblich« und »Unternehmenserfolg« kann daraus selbstverständlich nicht abgeleitet werden. Möglicherweise unterscheiden sich die erfolgreicheren Unternehmen von den weniger erfolgreichen darin, dass sie das Augenmerk bei der Besetzung von Spitzenpositionen auf Kompetenz legen, unabhängig vom Geschlecht. Folgt man den Ergebnissen der Elite Studie Michael Hartmanns aus dem Jahre 2008 »Der Mythos von den Leistungseliten«, so liegt die Annahme nahe, dass diese Unternehmen tatsächlich intelligenter bei der Besetzung ihres Top Managements vorgehen.

Michael Hartmann belegt, dass der Aufstieg in die Top-Etagen der Wirtschaft in der Regel abhängig ist vom Geschlecht (männlich), sozialer Position des Vaters und dem entsprechenden, anerzogenen Habitus. Leistung ist bei hohem sozialem Status kein Merkmal, wenn es schließlich um den letzten Schritt nach oben geht. Die McKinsey Studie legt nahe, dass Unternehmen gut daran tun, Frauen in Top-Positionen zu fördern und stellt die Barrieren dar, die dagegen arbeiten. Doch welche Kompetenzen, Werte und Verhaltensweisen gerade sie einbringen können, die sich auf den Unternehmenserfolg auswirken, untersucht diese Studie leider nicht.

Worum geht es nun, wenn von Frauen, von »Weiblichkeit« oder »Femininität« im Management gesprochen wird? Wie unterscheidet sich ein feminines Management von einem maskulinen Management? Welche Attribute sind mit dem einen oder anderen verbunden? Als eine Grundlage der Betrachtung bieten sich die interkulturellen Studien Geert Hofstedes an. Er hat im Rahmen einer umfassenden Studie in 74 Ländern vier Dimensionen nachgewiesen, mit denen Kulturunterschiede beschrieben werden können.

Eine dieser Dimensionen wird mit den Begriffen: Femininität | Maskulinität bezeichnet, als polare Ausprägungen dieser Dimension. Ihnen liegen unterschiedliche Werthaltungen zu Grunde, die sich auf Familienleben, Bildungswesen, Gesundheitswesen sowie auf das Miteinander im Arbeitsleben auswirken. (Geert Hofstede weist drei weitere Dimensionen nach, die für unsere Betrachtung hier jedoch von geringerer Bedeutung sind). Die absoluten und relativen biologischen Unterschiede zwischen Männer und Frauen sind auf der ganzen Welt gleich, aber ihre sozialen Rollen in der Gesellschaft sind nur zu einem sehr geringen Teil biologisch bedingt.

Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen dem einen oder anderen Geschlecht gezeigt werden, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden. Maskulin und feminin bezeichnen also kulturell und sozial vorherbestimmte Rollen und keinen biologischen Unterschied per se. Die Hauptunterschiede zwischen femininen und maskulinen Gesellschaften zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1: Allgemeine Normen in Familie, Schule und am Arbeitsplatz in femininen und maskulinen Gesellschaften1

Feminine AusprägungMaskuline Ausprägung
Vorherrschende Werte in der Gesellschaft sind das Kümmern um Mitmenschen und das Bewahren der WerteVorherrschende Werte sind der materielle Erfolg und das Fortkommen
Menschen und intakte zwischen-menschliche Beziehungen sind wichtigGeld und Dinge sind wichtig
Von jedem wird erwartet bescheiden zu seinVon Männern wird erwartet, dass sie bestimmt, ehrgeizig und hart sind
Sowohl Männern wie Frauen wird zugestanden, sensibel und um zwischenmenschliche Beziehungen bemüht zu seinVon Frauen erwartet man, sensibel zu sein und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen
In der Familie sind sowohl der Vater wie die Mutter für Fakten und Gefühle zuständigIn der Familie ist der Vater für die Fakten, die Mutter für die Gefühle zuständig
Jungen und Mädchen dürfen weinen, sollen aber nicht kämpfenMädchen weinen, Jungen nicht. Jungen sollten zurückschlagen wenn sie angegriffen werden, Mädchen nicht
Sympathie mit den SchwachenSympathie mit den Starken
Durchschnittlich guter Schüler ist die NormBester Schüler ist die Norm
Versagen in der Schule ist nicht so schlimmVersagen in der Schule ist eine Katastrophe
Ein freundlicher Lehrer wird geschätztDer Lehrer wird für hervorragendes Fachwissen geschätzt
Jungen und Mädchen wählen die gleichen FächerJungen und Mädchen wählen unterschiedliche Fächer
Arbeiten um zu lebenLeben um zu arbeiten
Vorgesetzte verlassen sich auf ihre Intuition und streben Konsens anVon Vorgesetzten erwartet masn, dass sie entschlussfreudig und bestimmt sind
Die Betonung liegt auf Gleichheit, Solidarität und Qualität des ArbeitslebensDie Betonung liegt auf Leistung, Wettbewerb unter Kollegen und Fairness
Konflikte werden beigelegt, indem man miteinander verhandelt und nach einem Kompromiss suchtKonflikte werden beigelegt, indem man sie austrägt

 

Im weltweiten Vergleich sind vor allem Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen die femininen Kulturen. Dies bedeutet, dass »feminine« Eigenschaften dort von Männnern und Frauen an den Tag gelegt und geschätzt werden. Die Studie Hofstede´s zeigt die positive Korrelation zwischen der Femininität eines Landes und dem Prozentsatz von Frauen in höheren beruflichen Positionen (auch in technischen Berufen). Dies bestätigt die McKinsey Studie: der Frauenanteil im Top-Management liegt in Norwegen immerhin bei 32 %, im gesamteuropäischen Vergleich sind es 11 %. Gleichwohl sind Frauen auch in Norwegen im Top-Management noch nicht gleich stark wie die Männer vertreten.

Erklären lässt sich dies damit, dass ehrgeizige Frauen eher in maskulinen Kulturen anzutreffen sind. In femininen Gesellschaften gibt es zwar weniger Widerstand gegenüber Frauen, die in höhere Positionen gelangen, aber das Streben nach Macht, Status und persönlichem Fortkommen ist bei ihnen eben auch wenig ausgeprägt. Diese beiden Einflüsse scheinen sich gegenseitig aufzuheben. Sympathie mit den Schwachen, das Kümmern um zwischenmenschliche Beziehungen, Gleichheit, Solidarität und Qualität des Arbeitslebens, Rücksichtnahme und Bescheidenheit sind also feminine Werte einer vorherrschenden Kultur, in denen Frauen auch in hohen Positionen ihren Beitrag leisten dürfen.

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Der maskuline Manager tritt durchsetzungsstark und bestimmt auf, ist entschlussfreudig und »aggressiv« (nur in maskulinen Gesellschaften hat dieses Attribut eine positive Bedeutung). Er ist jemand, der allein entscheidet, ein bisschen Macho steht ihm gut. Manager einer femininen Kultur treten weniger sichtbar auf, handeln mehr intuitiv als bestimmend und sind es gewohnt, abzuwägen und Konsens bei Widersprüchen herzustellen.

»Small is beautiful« ist ein femininer Wert. Meinungsumfragen in sechs europäischen Ländern konnten zeigen, dass der Wunsch, in einer großen Organisation zu arbeiten, mit dem Maskulinitätsindex eines Landes korreliert. Diese femininen Werte widersprechen dem Leistungs-, Wettbewerbs- und Wachstums-Denkstil unserer maskulinen Wirtschaftswelt. Das vielbeschworene »Diversity-Management« soll ermöglichen, dass genau diese tradierten Denkstile und Werte in Frage gestellt und neue Perspektiven ermöglicht werden. Doch sind neue Perspektiven überhaupt gewünscht?

Die »gläserne Decke«, die feminine Frauen von den Top-Etagen einer maskulinen (Wirtschafts-)Gesellschaft fernhält, erfüllt vor allem den Zweck, maskuline Überzeugungen und Werte zu bewahren. Das System des »old boys network« bleibt geschlossen, die maskulinen Rollenvorbilder, seien sie von Männern oder Frauen vertreten, bleiben exklusiv »unter sich«, mit gemeinsam geteilten Werten, bei denen Ehrgeiz für das persönliche Fortkommen und Gewinnmaximierung handlungsleitend sind.

Wenn diese geschlossenen Netzwerke, deren Zugehörigkeit persönliche Vorteile sichern, durchlässiger werden, Unterschiede und Vielfalt bewusst einbeziehen und damit vermeintlich selbstverständliche Werte in Frage stellen, dann braucht dies sehr viel Mut – auch Mut zur Selbstreflexion. Eine Eigenschaft, die dem maskulinen Manager nicht zu Gesicht steht. In der maskulinen Leistungsgesellschaft werden Eigenschaften und Lebensentwürfe belohnt, die als »typisch männlich« gelten.

»Partnerschaftlichkeit bringt weniger Geld als Durchsetzungskraft und Lautstärke«, so Peter Döge. Er spricht hier von »Habituskultur«: Wer nach Macht strebt, gern viel arbeitet und seine Ellbogen einsetzt, ist erfolgreich. Eigenschaften wie Fürsorge und Partnerschaftlichkeit, die als feminin gelten und mit denen Frauen eher in Verbindung gebracht werden, gelten als weniger wert und werden schlechter entlohnt. Das gilt offenkundig für Berufe, in denen diese Fähigkeiten besonders gefragt sind, wie Pflegeberufe und die Berufe des Bildungssektors.

Feminine Eigenschaften werden in einem maskulinen System nicht geschätzt. Menschen mit diesen Eigenschaften müssen entweder gegen sich selbst arbeiten, d. h. ihre eigenen Werte verleugnen oder gegen das System. Die Anforderungen der globalisierten Welt lassen jedoch hoffen, dass feminine Eigenschaften wie Kommunikationsstärke, Partnerschaftlichkeit und Einfühlungsvermögen, die heute einer Führungskarriere im Wege stehen können, in Zukunft sehr gefragt sind.

Ein System, das maskuline Werte und Verhaltensweisen belohnt und dabei relativ geschlossen bleibt, ist mühsam für all diejenigen, die andere Werte und Verhaltensweisen vertreten. Und selbst die Macht-motivierten Menschen unter uns werden schließlich unglücklich, wenn sie nach einer 60 Stunden-Woche unter Hochdruck gearbeitet haben und dann einfach keine Reserven mehr für die eigenen Kinder haben.

Schlussstatement

Die Leistungs- und Wachstumsdoktrin wurde in den letzten Jahren auf die Spitze getrieben. Der Begriff »McKinsey-Gesellschaft« paraphrasiert diese Denkart. Der Kollaps ist nicht ausgeblieben. Eine Besinnung auf feminine Werte schafft neue Perspektiven. Allein maskuline Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, die die Wettbewerbsposition eines Unternehmens besser stärken mögen als ihre männlichen Kollegen, ist nicht genug Perspektive.


(1) Hofstede, Geert: Interkulturelle Zusammenarbeit, Wiesbaden 1993, S. 115 ff.

IHRE AUTORIN

Judith Bergner | Trainerin MCSL

Diplom Psychologin

Ausgewählte Schwerpunkte
> Führungskompetenzen
> Teamentwicklung
> Psychologische Sicherheit, Gesundheit und Resilienz

 

Judith Bergner

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