Trainerin & Coach für Führungskräfte und Teams
Begleitung von persönlichen, organisatorischen und technologischen Veränderungsprozessen mit dem Fokus auf Selbst-/Führung
Sibille Baier (SB): Was ist Ambivalenz für dich?
Hans Baumeister (HB): Wir wollen am liebsten entschlossen, klar und immer im Einklang mit uns selbst sein. So waren wir gerne, sind es aber nicht. Wir stecken voll widersprüchlicher Gedanken, Gefühle und Wunsche. Wir bringen es fertig, ein und denselben Menschen zu lieben und zugleich zu hassen. Wir begehren und ersehnen Dinge oder Geschehnisse, haben aber gleichzeitig Angst vor ihnen.
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Das Wort »Ambivalenz« kommt aus dem Lateinischen und setzt sich aus »ambi« (beide) und »valens« (kraftvoll, wertvoll) zusammen. Ambivalenz bezeichnet die gleichzeitige Existenz widersprüchlicher Gefühle, Gedanken, Wunsche oder Einstellungen zu einer bestimmten Person, Situation oder einem Objekt, was zu einer inneren Zerrissenheit oder innerem Konflikt bei einer Person fuhren kann.
SB: Ich frage mich, ob Ambivalenz nur ein innerpsychisches Thema ist?
HB: Letztendlich äußert sich der Konflikt in einer Person. Er kann in ihr liegen, im sozialen Kontext entstehen oder aus der Struktur eines Unternehmens herrühren.
SB: Wir können gesellschaftliche Phänomene beobachten, die Ambivalenz beinhalten: Klimaziele, Cancel Culture, MeToo-Debatte, KI, Gendern, um nur einige Beispiele zu nennen. Dabei spielen die genutzten Medienkanale eine zentrale Rolle. Wir sind global, live und immer dabei. Ambivalente Spannungsfelder tun sich parallel dazu in Unternehmen auf. Wenn z.B. mit Inbrunst diskutiert wird, ob eine zentrale, dezentrale oder die Matrix die richtige Organisationsstruktur ist. Meist geht es dabei um Macht, Neid, Missgunst, Kontrolle und weniger um Vertrauen. Dasselbe gilt für Abteilungen und Teams, die sich durch ungeklärte und widersprüchliche Rollen und Erwartungshaltungen muhen.
HB: Im klassischen Rollenmodell von Führungskräften bedeutet das, dass getroffene Entscheidungen ein Zeichen von Handlungswille, Energie und Urteilsvermögen sind, während Zögerlichkeit als negativ angesehen wird.
SB: Wenn ich es richtig verstehe, ist nicht das Vorhandensein von Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten das Problem?
HB: Genau, das Problem ist eher, dass wir einen idealen Zustand ersehnen und das Vorhandene daran messen, bewerten und abwerten. Ambivalenz erzeugt in uns Konflikte und das mögen wir nicht. Gleichzeitig macht Ambivalenz unser Leben reicher und vielfaltiger, auch komplexer und schwieriger. Ambivalenz schützt uns vor Idealisierungen und vorschnellen Festlegungen, zwingt uns zum Nachdenken und »Schwingen« zwischen den einfach erscheinenden Alternativen.
SB: Das klingt nach Arbeit. Welche Möglichkeiten gibt es, Ambivalenzen und den damit verbundenen Suchprozessen aus dem Weg zu gehen?
HB: Spannende Frage. Dazu fallen mir mehrere Wege ein. Durch Idealisierungen wird die eine Seite positiv bewertet, die andere entsprechend abgewertet. Aus dem Wunsch der Zugehörigkeit und Loyalität übernehme ich eine Meinung und blende andere aus. Ich ziehe mich zurück in die Ruhe, Stabilität und Einfachheit oder denke in einem Moment der Hybris »Kein Problem, ich schaffe das!«. Oder ich handle schnell, da sonst das eigene oder das von außen verordnete Selbstkonzept bedroht ist.
SB: Wenn ich dir so zuhöre, denke ich im beruflichen Umfeld an die Redensart »Wasch mich, aber mach mich nicht nass«. Ein Beispiel dazu: Die Führungskraft sagt: »Mein Team performt nicht.« Die ergriffene Maßnahme ist ein Teamentwicklungs-Workshop. Die Ruckmeldung: »Nice to have«. Die eigentliche Ursache aber bleibt: Die Führungshierarchie redet nicht miteinander. Dann wäre der Team-Workshop der erste wichtige Schritt für die weitere Arbeit: die Ambivalenz zulassen und damit zu arbeiten.
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Ambivalenz wird gerne mit dem Bild des Buridanischen Esels skizziert, einer Denkfigur, mit der sich der Gelehrte Johannes Buridan bei seinen Arbeiten über die menschliche Willensfreiheit auseinandersetzte. Er dachte sich einen Esel zwischen zwei gleich weit entfernten Heuhaufen und fragte sich, ob dieser wohl verhungern wurde, weil er durch die Ambivalenz paralysiert wurde und sich nicht handlungswirksam entscheiden könne, wohin er sich zum Fressen wenden soll.
SB: Welche Möglichkeiten siehst du für den Umgang mit Ambivalenzen?
HB: Ambivalenzen bergen ein hohes Risikopotenzial, wenn sie nicht als Normalität angenommen werden. Was helfen kann, ist ein schrittweises Vorgehen. Das Ziel ist dabei, die Unterscheidung treffen zu können zwischen innehalten, zurücktreten, wahrnehmen, mir einen Überblick verschaffen und dann sich und andere ermutigen, in das unausweichliche Handeln zu gehen. Ich versuche die Schritte wie folgt zu verdeutlichen:
Der Schritt des Innehaltens Verwirrt sein, buchstäblich nicht mehr wissen, wohin und dann am liebsten ... In diesen Momenten gilt es, innezuhalten und die innere Stimme hören. Es braucht ein Zurückziehen der Sinne, so wie eine Schildkröte ihre Glieder zurückzieht.
Der Schritt der Erkundung Dieser Schritt bedarf eines geschützten Raumes, der ermutigt und kein sofortiges Handeln erfordert. Im sozialen und beruflichen Raum kann die Regel »Wenn du im Zweifel bist, suche den Dialog nützlich sein. Austauschen und gemeinsam zwischen den Polen surfen, kann neue Möglichkeiten eröffnen für die Entscheidung wie auch für die Art der Zusammenarbeit.
Der Schritt des Nüchtern-Werdens Nüchtern werden gegenüber den eigenen Vorstellungen, wie die Welt und die anderen zu sein haben, und sich losen von Gefühlen wie Angst, Ärger und Trauer. Es geht nicht darum, noch fitter zu werden und sich weiter zu optimieren, sondern eher von den äußeren Verführungen und Lieblingsgedanken zu lassen. Mit Humor und Gelassenheit den Einflüsterungen der vermeintlichen Wahrheiten begegnen und entspannt seinen Weg gehen.
Der Schritt des Handelns Umfasst alle Arbeiten, Taten, Handlungen und Gedanken. Es geht um die Qualität des Handelns und nicht um die Belohnung und die Anerkennung des Tuns. Wir allein sind zuständig für das Tun und für das Bestmögliche. Und um das Dilemma zu erweitern: Das ist kein linearer Prozess. Die Elemente sind miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig.
SB: Und was heißt das jetzt für Unternehmen auf der Team- und Organisationsebene?
HB: Es ist sinnvoll, der Organisation ein »intensives Bad in den Ambivalenzen« zuzumuten, um gemeinsam zu erforschen, was dabei zum Vorschein kommt. Mit Mut sollten dann die daraus resultierenden Entscheidungen und Handlungen umgesetzt werden.
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Ein Dilemma ist eine Situation, in der eine Person vor einer schwierigen Wahl oder Entscheidung steht, bei der es keine einfache oder eindeutige Lösung gibt. Häufig sind die verfügbaren Alternativen moralisch, ethisch oder emotional miteinander verflochten und beinhalten sowohl positive als auch negative Aspekte und Konsequenzen.
SB: Anstelle von »Die Geschäftsführung hat beschlossen« würde ihre Mitteilung beispielsweise lauten: »Womit wir uns beschäftigen, wo wir unsicher sind, was wir nicht wissen, wo wir Risiken abwägen, welche Alternativen wir prüfen, was wir lernen und was wir langsam anfangen zu verstehen, ist … etc.«
HB: Noch ein Gedanke zu uns Berater, Beraterinnen oder Trainer, Trainerinnen und zu unserer eigenen Ambivalenz, die genauso vorhanden und wirksam ist. Wichtig erscheint mir zu wissen, was bei mir ambivalentes Erleben auslöst, und eine Distanz zu vorschnellen und festen Verhaltensweisen zu haben. Andererseits kann meine Ambivalenz auch ein Hinweis sein auf die momentan vorhandene Dynamik außerhalb von mir. Dann wäre sie ein wertvolles Instrument für die nächsten Schritte. Kurzum: Ambivalenz schützt vor Idealisierungen – und zwar bei allen Beteiligten. Sibille, mir hat unser Gespräch gefallen, weil Lachen und Ernsthaftigkeit dabei waren.
SB: Ja, wie eigentlich immer in unseren gemeinsamen Projekten.
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