Reorganisationen ganzheitlich begleiten

Die unterschätzten Herausforderungen für Organisation und Mitarbeitende

Reorganisationen oder – tiefgreifender – die Restrukturierungen stehen in allen Organisationsformen an. Die Gründe sind vielfältig: Kostengründe und strategische Neuausrichtung sind die schwerwiegendsten und umfassendsten. Kleiner, aber dafür häufiger an der Tagesordnung: Personalveränderungen durch Fluktuation oder Personalentscheidungen. Oder in Diskretion gehüllt als taktisch-betriebsrechtlicher Schachzug im Kündigungsprozess. Eine aktuell häufige Ursache ist auch die New Work-Bewegung, bei der unter anderem flachere Hierarchien und höhere Selbstorganisation angestrebt werden. In allen Fällen heißt es für die Mitarbeitenden, dass die Zusammensetzung der Bereiche sich tiefgehend verändert und damit auch die Dynamik in der Zusammenarbeit.

Oft geht das Management eine Reorganisation sachlich und nüchtern auf der formellen Seite an. Man orientiert sich am Greifbaren und passt Organigramme, Arbeitsverträge, Workflows und Titel an. Nicht selten wird schon auf der strukturell-prozessualen Ebene unterschätzt, was eine Reorganisation an administrativem Aufwand bedeutet. Doch die nicht-greifbaren, informellen Veränderungen, wie die Art und Weise der Führung, der Entscheidungsfindung, der Zusammenarbeit und der Kommunikation, werden oft vernachlässigt oder gar nicht erst bedacht.

Umsichtige Führungskräfte wissen, dass solche Veränderungen von der gesamten Belegschaft viel fordern. Erstens sind sie hochdynamisch und zweitens kommen sie on top zum Tagesgeschäft, wo sie gewohnte Abläufe »stören«. Es ist Aufgabe der Führung, wieder Stabilität und Orientierung zu geben und vor allem den Fokus auf die Wertschöpfung zu halten.

Der Balanceakt Change Management

Im Kontext von Reorganisationen verändern sich der Aufbau und Ablauf von Organisationen. Aus Perspektive des Managements i.d. R. monatelang geplant, erleben Mitarbeitende im Gegensatz dazu oft, wie sie ohne große Vorankündigung vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Eine Veränderung der Struktur bedeutet immer die Destabilisierung des Bekannten und damit eine hohe Verunsicherung, was sich in Kritik, Zurückhaltung und Skepsis äußert. Gute Führung bemüht sich daher um einen empathischen und dennoch wirksamen Change-Prozess. Die Kunst liegt im Balanceakt zwischen konsequenter Umsetzung, gepaart mit dem erforderlichen Fingerspitzengefühl in der Kommunikation. Das ist hochkomplex, da es zum einen viel ist und zum anderen eine hohe, unvorhersehbare Dynamik entwickeln kann.

Brücken bauen für besseres Verständnis

Die vielzitierte Trauerkurve eines Change-Prozesses ist richtig, hat aber auch einen dramatischen Touch. Eine gut begründete Reorganisation ist erfahrungsgemäß durchaus nachvollziehbar und wird auch von Mitarbeitenden mitgetragen – sogar bei harten Einschnitten. Die befürchtete Schockstarre im düsteren Tal der Tränen hält sich oft im Rahmen. Was jedoch nicht bedeutet, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende mit der Umsetzung und den Auswirkungen der Veränderung nicht schwertun. Denn trotz guter Change-Kommunikation auf der einen Seite und Akzeptanz des Changes auf der anderen Seite kommen erstmal viele Fragen auf, für die es nicht sofort eindeutige Antworten gibt. Die Lage wirkt oder ist unübersichtlich, was viele Menschen verunsichert. Diese akute Ungewissheit ist für viele nur schwer auszuhalten. Daher arbeitet ein ganzheitliches Change Management mit Interventionen, die mit dialogischen Formaten und Reflexion, z.B. durch Workshops, zu kollektivem Austausch, Verständnis und Vereinbarungen kommen. Erlernen neuer Verhaltensmuster kann so auf organisationaler Ebene stattfinden.

Ohne psychologische Sicherheit ist Veränderung nur schwer erreichbar

Rahmenfaktoren zu verändern, ist deutlich einfacher als menschliches Verhalten zu ändern. Verändern wir die Strukturen, verändern sich auch die Verhältnisse als Rahmen für Zusammenarbeit, Kommunikation, Führung und unser persönliches Erleben ebendieser Faktoren. Individuen und Teams finden sich also unweigerlich in einer Situation wieder, in der sie bewusst oder unbewusst die Wechselwirkungen zwischen der Formalstruktur und informellen Kultur und ihren eigenen Standpunkt neu austarieren müssen.

Diese Themen zu hinterfragen, zu diskutieren und neu auszuhandeln fordert uns viel ab. Es braucht einen geschützten Raum, in dem solche oft nur latenten, »soften« Punkte thematisiert und offen besprechbar gemacht werden können. An dieser Stelle empfiehlt es sich, den Prozess von einer möglichst außenstehenden Person moderieren zu lassen, die die erforderliche Kompetenz im Umgang mit dynamischen und auch konfliktgeladenen Gruppensettings hat. Es geht nicht darum, Menschen zu verändern, sondern zu reflektieren, wie sich formelle Veränderung im Verhalten von Personen und Teams bemerkbar macht, und was geeignete Anpassungsstrategien sein können. Auf einer Metaebene über das zu sprechen, was wir jeden Tag tun – oder nicht mehr tun sollen – und wie es sich auf unser Erleben auswirkt, erfordert einen Rahmen, in dem wir uns über unsere Rolle hinaus als Mensch zeigen können. Vor allem im Business-Kontext ist es immer noch ungewohnt, uns tiefergehend über uns persönlich mitzuteilen. Offenheit und die Bereitschaft, auch über subjektive Wahrnehmung, Befinden und Verhalten in den Austausch zu gehen, sind keine Selbstläufer. Wir sind mit verunsichernden Gefühlen wie Angst, Zweifel, Bedenken, Skepsis konfrontiert und tun uns häufig schwer, sie zur Sprache zu bringen.

Neben Methodenkenntnissen und Moderationskompetenz ist Mut gefragt, um sich mit Teams abseits der Sachebene auf der Beziehungsebene zu begegnen. Ohne psychologische Sicherheit ist dies nicht möglich. Ist dies jedoch gegeben, kommt man an die (Schmerz-)Punkte, die oft auch als Widerstände wahrgenommen werden. Diese bewusst zu besprechen und damit anzuerkennen, öffnet neue Handlungsspielräume. Es macht einen Unterschied im Change-Prozess, der Struktur-Veränderungen ganzheitlich und nachhaltig wirksam werden lässt.

Ihre Autorin & Trainerin

MCSL | Miranda Scheuplein

Management- und Organisationsberaterin 

Schwerpunkt: Prozessberatung, Change Management & Kommunikation

m.scheuplein@mcsl.de | 08394 910 471

 

Miranda Scheuplein

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